Die Jüdin von Toledo
Uraufführung
Privates Glück oder politische Pflicht
Zur Uraufführung der Oper von Detlev Glanert in der Semperoper
Die Geschichte geht auf eine historisch nicht verifizierbare Legende zurück um den König Alfonso VIII. von Kastilien (1155–1214) und seine jüdische Mätresse Rahel, genannt „die Schöne“. Es war die Zeit der Reconquista, in der die christlichen Königreiche die Bereiche des heutigen Spanien und Portugal eroberten und die maurische Vorherrschaft dort immer weiter zurückdrängten. Die Geschichte um Alfonso und Rahel wurde mehrfach künstlerisch verarbeitet. Das Libretto von Hans-Ulrich Treichel basiert auf dem Drama „Die Jüdin von Toledo“ von Franz Grillparzer aus den 1850ern, verändert dieses jedoch stark. Kurz gefasst geht es um Folgendes:
Die beiden verwaisten jüdischen Schwestern Rahel und Esther schleichen sich in den königlichen Garten in Toledo, wo sie auf König Alfonso treffen. Seine Frau, Königin Eleonore, und der Hofstaat drängen ihn, das Militär zu mobilisieren, um gegen die maurische Armee vor Toledo vorzugehen. Alfonso entzieht sich jedoch der Entscheidung und nimmt Rahel als seine Geliebte mit auf sein Landhaus, wo sie sieben Monate leben; dann erreicht den König die Nachricht, dass Eleonore in seiner Abwesenheit den Staatsrat einberufen hat und erklärt, er stehe unter dem Einfluss der Jüdin Rahel, die für die Mauren spioniere. Alfonso gibt sich geschlagen und unterzeichnet eine Erlaubnis zur Judenverfolgung und Tötung Rahels. Rahel wird von Schergen umgebracht. In der Kathedrale werden die Waffen unter den Augen Eleonores und Alfonsos für den Krieg gegen die Mauren geweiht, während im Landhaus Esther ihre Schwester betrauert und den König verflucht.
„Die Jüdin von Toledo“ ist die vierzehnte Oper im Schaffen des renommierten Komponisten Detlev Glanert. Mit Hans-Ulrich Treichel verbindet ihn bereits seit Längerem eine kreative Zusammenarbeit: Auf ein Libretto von Treichel schuf Glanert bereits „Caligula“, und zusammen mit dem Regisseur Robert Carsen brachten sie 2019 die Oper „Oceane“ nach Theodor Fontane auf die Bühne der Deutschen Oper Berlin. Im Zuge dieser Produktion wurde Detlev Glanert 2019 mit dem Oper!Award und 2020 mit dem OPUS Klassik als „Komponist des Jahres“, sowie 2020/21 mit dem International Opera Award ausgezeichnet.
Nun arbeiten sie für „Die Jüdin von Toledo“ erneut zusammen. Die Regie von Robert Carsen, der mit dieser Produktion zum ersten Mal an der Semperoper inszeniert, stellt die Diskrepanz zwischen privatem Glück und politischer Pflicht ins Zentrum, bereits verdeutlicht durch das Bühnenbild, das einen gleichsam offiziellen Raum als Grundlage darstellt, Kirchenschiff sowie Staatssaal oder Schlosshalle. Verstecke und separate Räume erweisen sich in ihrer scheinbaren Intimität als trügerisch, da omnipräsente Säulengänge permanente Durch- und Einblicke gewähren. Die Unmöglichkeit für Rahel und Alfonso, aus dem politischen und gesellschaftlichen System zu fliehen, wird so auch räumlich erfahrbar.
Die tragische Rolle der Rahel wird von der amerikanischen Sopranistin Heidi Stober verkörpert, die in der Semperoper immer wieder ein gern gesehener Gast ist und hier schon in den Partien der Alcina, Adina in „Der Liebestrank“ oder Pamina in „Die Zauberflöte“ die Herzen des Publikums erobert hat.
Text: Martin Lühr (Dramaturg)
Detlev Glanert
DIE JÜDIN VON TOLEDO
Oper in fünf Akten
Libretto von Hans-Ulrich Treichel
Uraufführung am 10. Februar 2024 in der Semperoper
Mit freundlicher Unterstützung der Stiftung Semperoper - Förderstiftung
Weitere Informationen zum Werk und im Besonderen zur Arbeitsweise von Detlev Glanert finden Sie unter:
https://www.semperoper.de/juedin-von-toledo/